Historie Gbf
Entwicklung des Güterbahnhof
Coburg von 1901-1997
in Kooperation mit dem
Staatsarchiv Coburg
Der 1903 eröffnete Güterbahnhof verkörperte
auf dem Gebiet des Verkehrswesens
die Einbindung der Stadt in die
Prozesse der Industrialisierung und
eines beschleunigten und intensivierten Transports
von Rohstoffen. Die Anlage fand ihren Platz
im direkten Umfeld großer Betriebe, die die technische
Modernität der Zeit unter Beweis stellten.
Die neue Warendrehscheibe verstärkte die Einbindung
der Stadt in das Verkehrssystem
und
wirkte zudem als Impulsgeber für Industrie-Neuansiedlungen.
Bei der Verbesserung von Arbeitsbedingungen
übernahm der Bahnhof eine Vorreiterrolle.
Das Transportaufkommen ging nach
1945 zurück und führte 1997 zu dessen Schließung.




Ende des 19. Jahrhunderts kam in
der Bürgerschaft Coburgs die Idee
auf, eine separate Entlade- und
Verladestelle für Güter zu schaffen.
Die Investition war zunächst umstritten.
Stadt, Land, Industrie- und Handelskammer
sowie zahlreiche Bürgervereine befürworteten
den Bau eines Güterbahnhofs.
Dagegen lehnte die königlich-preußische
Eisenbahn als Eigentümerin des vorhandenen
Streckennetzes im Coburger Land das
Ansinnen ab. Die vorhandenen Anlagen
aus dem Jahre 1858 an der Lossaustraße
reichten ihrer Meinung nach aus, den bisherigen
Güterverkehr aufzunehmen. Doch
die Einschätzung entsprach nicht der
Realität, war doch die Eisenbahn das boomende
Verkehrsmittel der Zeit. Vor dem
Hintergrund der Hochindustrialisierung
entwickelte sich der alte Coburger Bahnhof
zu einem Nadelöhr und schließlich zu
einem Hemmschuh der wirtschaftlichen
Entwicklung der Region.
Nach einem drei Jahre anhaltenden Tauziehen
lenkte die Bahn ein und erklärte 1898,
dass aufgrund der Transportentwicklung
nur eine großflächige Umgestaltung der
Coburger Anlage mit neuem Personenbahnhof,
Lokschuppen und Güterbahnhof
eine reibungslose Abwicklung des Verkehrs
sicherstellen könne. So entstand zwischen
1901 und 1903 im Coburger Süden ein neuer
Güterbahnhof in einer zeittypischen
Industriearchitektur aus Ziegel, Stahl, Holz
und Glas. Er diente in erster Linie wirtschaftlichen
Zwecken, besaß aber auch militärische
Bedeutung für Coburg als Garnisonstadt.
Nach einer langen Periode des
Niedergangs wurde der Güterbahnhof 1997
stillgelegt.
Für den Standort des neuen Güterbahnhofs
wählten die Beteiligten
ein Gelände in der Nähe bestehender
Industrieanlagen. Das Areal
südlich des Schlachthofes und nahe des
Hofbrauhauses und der Städtischen Werke
war dafür ideal. So empfing der Güterbahnhof
beispielsweise 1911 bereits über
53.000 Tonnen Kohle für die Städtischen
Werke, während die Coburger Hofbräu
AG hier 5.500 Tonnen Bier exportierte. Es
entstanden in der Folge eigene Anschlussgleise
für den Schlachthof und die SÜC.
Die Coburger Hofbräu investierte in neue
Eisenbahnwaggons. Vom Warenverkehr
profitierte auch das Land Coburg, das am
Eingang des Bahnareals ein herzogliches
Steueramt errichtete. Hier mussten die
Einfuhrzölle der Waren entrichtet werden.
Je stärker sich die Industrialisierung ihre
Wege bahnte, desto bedeutsamer wurde der
Güterbahnhof. Er wuchs bis 1942 rasant an.
Erst mit der Deutschen Teilung erlebte
das Areal einen Bedeutungswandel. Zwar
gewann die wirtschaftliche Entwicklung
nach 1945 rasch an Fahrt. Aber durch den
wirtschaftlichen Strukturwandel und die
zunehmende Mobilität auf der Straße verlor
der Güterbahnhof seine Position als
eine der bedeutendsten Lebensadern der
Stadt. Die enge Verknüpfung zwischen
Industrie und Bahn löste sich zusehends.
Gegenmaßnahmen wie die Errichtung
eines Containerumschlagplatzes
zeigten
keine Wirkung. 1997 gab die Deutsche Bahn
AG die Schließung des Güterbahnhofs bekannt.
Er lag zu diesem Zeitpunkt beim
Stückguttransportaufkommen an dritter
Stelle im Direktionsbereich Nürnberg.
Schon kurz nach Eröffnung des Güterbahnhofs
1903 zog das Gelände
diverse Firmen an, die dort investierten.
Sie errichteten Lagerhäuser
und -plätze, die als Dependancen in Bahnhofsnähe
dienten. Die Nachfrage nach geeigneten
Lagerstätten stieg mit den Jahren.
1955 bestanden 30 Lagerhäuser und
-plätze. Andere Firmen siedelten sich komplett auf
dem Bahngelände an und bauten dort ihre
Existenz auf. Dies geschah branchenübergreifend.
Als besonders attraktiv erwies
sich das Areal für Lebensmittelgroßhändler
und rohstoffverarbeitende Unternehmen.
Auch im Umfeld ließen sich neue Industriebetriebe
nieder, etwa am südlichen
Sonntagsanger oder an der Wassergasse.
Die Itz als natürliche Barriere hemmte jedoch
weitere Ansiedlungen in Bahnhofsnähe.
Das erkannte die Stadt Coburg und forcierte
bereits 1922 den Bau einer Brücke
als Erweiterung zur heutigen Karchestraße.
Dadurch sollte das Gebiet südlich des
Ketschenangers ebenfalls vom Bahnareal
profitieren und für Investoren interessant
werden. Doch die Bahn lehnte eine weitere
Verkehrsanbindung ab. Es blieb bei der
eingeschränkten Strahlkraft.
Mit dem Bedeutungsverlust des Güterbahnhofs
verschwand auch das Interesse,
sich in Bahnhofsnähe niederzulassen oder
eine Dependance zu gründen. Viele Lagerstätten
wurden in den 1970er und 1990er
Jahren abgerissen, so dass heute nur noch
zehn Lagerhäuser und ein Lagerplatz existieren.
Von den Industriebetrieben, die sich
einst dort ansiedelten, besteht heute noch
die Eisengroßhandlung Max Carl.
Der neue Güterbahnhof lag an der
1858 eröffneten Werrabahn. Sie
verband den Verkehrsknotenpunkt
Lichtenfels mit Eisenach
– über das Coburger Land und das Werratal.
Von hier gelangten die Güter an die
Nordseehäfen bzw. nach Leipzig und Berlin.
Nach Süden bestand Anschluss nach
Nürnberg und München. Coburg war damit
gut vernetzt. Mit dem Güterbahnhof
entstanden Einrichtungen und Gebäude
zum Empfang und Versand der Waren. Die
Anlage garantierte auch die Teilhabe der
umliegenden Ortschaften des Coburger
Landes am Warenverkehr. Schließlich existierten
mit den Strecken nach Bad Rodach,
Neustadt/Sonneberg, Rossach und der „Karussellbahn“
nach Sonnefeld und Weidhausen
zahlreiche lokale Verbindungen.
Für viele Landbewohner war seinerzeit die
Bahn das einzige günstige Transportmittel,
sodass die Forderung nach neuen Haltepunkten
aufkam.
So kam der Wunsch nach
einem zweiten Haltepunkt im Coburger
Süden für die Besucher des Säumarktes
auf. Den Weitertransport der Güter organisierten
indes zahlreiche Fuhrunternehmen.
Sie bildeten die Verbindung vom Bahnhof
zu den Empfängern aus Industrie und Gewerbe.
Die innerdeutsche Grenze durchschnitt
nach 1949 das Coburger Streckennetz
in Richtung Norden. Geographisch an
den Rand gedrängt verlor die Vestestadt die
Anbindung an das bundesdeutsche Streckennetz.
Der Güterbahnhof sank zu lediglich
lokaler Bedeutung herab. Zudem löste
der LKW den Güterzug als Transportmittel
zunehmend ab. Die Wiedervereinigung
1990 änderte daran nichts.
Zur Zeit der Hochindustrialisierung
stieg das Bedürfnis nach sozialer
Fürsorge, insbesondere für die
neue gesellschaftliche Gruppe der
Arbeiterschaft. Die deutschen Staaten beobachteten
die politische Organisation der
Arbeiterschaft misstrauisch, fürchteten sie
doch soziale Unruhen. Reichskanzler Otto
von Bismarck führte 1883/84 eine Krankenund
Unfallversicherung ein, um die Arbeiterschaft
stärker an den Staat zu binden.
Die königlich-preußische Eisenbahn
reagierte auf die Gesetzgebung und führte
eine Vielzahl sozialer Verbesserungen
ein. Besonders Eisenbahner waren harten
Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Ihr Alltag
war von ungeregelten Pausen- und Arbeitszeiten,
schmutzigen Tätigkeiten und
dem Verladen bei jedem Wetter geprägt.
Die Bahndirektionen führten nun feste Ruhezeiten
ein. Es entstanden Bade-, Schlafund
Aufenthaltsräume mit Getränkeausschank.
Die Bahn baute ihrem Personal
sogar eigene Mehrfamilienwohnhäuser,
um Stand und Ansehen der Arbeiterfamilien
zu verbessern. Ein Problem war stets
die Gefährlichkeit des Berufes. Da sich hier
keine Verbesserungen einstellten, gründete
sich 1897 die erste Eisenbahnergewerkschaft
in Deutschland. So stand in den folgenden
Jahren auch die Arbeitssicherheit
im Blickpunkt.
Auch der Coburger Güterbahnhof verfügte
über soziale Einrichtungen, die Zeugnis
von den Entwicklungen ablegen. Mit
dem sozialen Wohlstand, der sich nach
1949 in der Bundesrepublik einstellte, verloren
die Einrichtungen an Bedeutung.
Der Fortschrittsglaube erreichte
im Kaiserreich seinen Höhepunkt.
Mit technischen Erneuerungen,
so die Meinung, wären
die Grundlagen für ein besseres Leben
ohne Kriege und Konflikte gelegt. Technische
Einrichtungen wurden daher von der
Bevölkerung bestaunt, die wissenschaftliche
Forschung vom Staat stark gefördert.
Widerstände gegen diese Technisierung des
Alltags und der Zerstörung der Landschaft
gingen von der Zivilisationskritik aus. Sie
spielte aber beim Bau des Coburger Güterbahnhofs
jedoch keine Rolle.
Die Bahn setzte modernste Techniken
ein, um die Anlage in zwei Jahren fertigzustellen.
Dazu gehörten die Verwendung
moderner Baumaterialien wie Ziegel, Beton
und Eisen. Die Landschaft veränderte
sich durch die Itz-Begradigung und der
Aufschüttung neuer Erdmassen.
Es entstanden
mechanische Stellwerke, welche
den modernsten Stand der Technik widerspiegelten.
Zu der technischen Ausstattung
des Güterbahnhofs gehörte auch ein Lokschuppen
mit Werkstattgebäude und Drehscheibe
sowie ein Wasserturm. Die Bauten
vermittelten dabei auch architektonische
Reize und standen für das Industrie-Zeitalter.
Mit dem Wandel zu einer Dienstleistungsgesellschaft
verloren diese technische
Einrichtungen an Bedeutung. Die Architektur
entwickelte sich mit dem modernen
Bauen weiter. Der Fortschrittsglaube wurde
durch die Erfahrungen der Kriegsmaschinerie
des 1. Weltkrieges erschüttert. Bei der
Bewertung spielen zudem heute Umweltaspekte
eine Rolle, sodass auch nachhaltigen
Veränderungen der Landschaft und die Belastung
des Bodens ein Thema ist.
Eine Ausstellung der Historischen Gesellschaft Coburg e.V.,
initiiert und kuratiert durch Dr. Gert Melville
Ausstellungsgestaltung: Coburger Designforum Oberfranken e.V.
Recherche und Texte: Christian Boseckert M.A.
Textredaktion: Johannes Haslauer M.A.
Fotos: Christian Boseckert M.A., Karl-Ulrich Pachale, Aaron Rößner, Martin Settele
Layout: Aaron Rößner, Martin Settele (Coburger Designforum Oberfranken e.V.)
Mit Unterstützung der Niederfüllbacher Stiftung
Erstmalige Publikation der Ausstellung: Coburg Gbf, 1901–1997
Staatsarchiv Coburg, Herrngasse 11
14. September bis 11. Dezember 2015
jew. Mo.-Do. 8:00 bis 16:00 Uhr, Fr. 10:00-13:30 Uhr
Eine Ausstellung der Historischen Gesellschaft Coburg e.V.
in Kooperation mit dem Staatsarchiv Coburg.
Information finden Sie auch auf dem Baublog der Stadt Coburg.
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